In Wuhan gibt es zwei wissenschaftliche Institutionen, das Wuhan Institut für Virologie (WIV) und das Wuhan Zentrum für Krankheitsprävention und –kontrolle (WCDC), die ausweislich ihrer einschlägigen Veröffentlichungen wissenschaftlich auf dem Gebiet der Erforschung von Fledertier-Coronaviren aktiv sind bzw. waren.
Die Institute liegen in einer Entfernung von 14 km (WIV) bzw. 1,5 km zum Huanan Markt. Das WIV besitzt seit 2014 ein Labor der höchsten Biosicherheitsstufe (BSL-4). Wissenschaftler des WIV hatten bereits ein Jahr vor dem Beginn des Ausbruchs davor gewarnt, dass aus dem Fledertier-Coronavirus-Reservoir eine neue Pandemie entstehen könne (siehe hierzu auch Kapitel „War die Pandemie vorhersehbar?“). Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Instituts weisen aus, dass dort zahlreiche Experimente mit lebenden SARS-Coronaviren durchgeführt wurden, darunter auch die Anzucht von Fledertier-Coronaviren, auch solchen mit ACE-2-Rezeptor-Erkennung, in der Zellkultur und Experimente im lebenden Tier. Darüber hinaus wurde die ACE-2-Rezeptorbindung des S-Proteins verschiedener Coronaviren in einem rekombinanten Pseudovirus-Modell mit Humanen Immundefizienzviren überprüft. Auch am WHDC wurden Untersuchungen an Fledertier-Wildfängen durchgeführt.
Die Nähe der beiden Institute zum mutmaßlichen Epizentrum der Pandemie sowie die Plausibilitäts-Defizite der Huanan-Markt-Hypothese führten international zu Verdächtigungen gegen die beiden Institute, für die es jedoch keinen ultimativen Beweis gibt. Eine internationale Gruppe anonymer Wissenschaftler hat auf einer sehr lesenswerten, eigens dafür eingerichteten Webseite eine Vielzahl minutiös recherchierter Indizien zusammengetragen, die für die These sprechen, dass das Virus in einem dieser Labore die Speziesbarriere überschritten haben und dann akzidentell daraus entkommen sein könnte (https://project-evidence.github.io/). Sie schließen auch die Möglichkeit nicht aus, dass SARS-CoV-2 im Labor erst entstanden sein könnte, nicht durch gezielte genetische Manipulation, sondern durch Rekombinationsereignisse in der Zellkultur. Im Mittelpunkt der Argumentation steht die Analyse wissenschaftlicher Veröffentlichungen, vor allem des WIV, aber auch von Stellungnahmen der Verantwortlichen sowie die Aufdeckung von Lücken in der Huanan-Markt-Hypothese. In der Quintessenz sehen sie im Rahmen eines Plausibilitätsvergleichs signifikant mehr Plausibilität für die Laborunfall-These als für die Huanan-Markt-Hypothese.
Die Laborunfall-These bleibt aber lediglich eine von mehreren theoretischen Möglichkeiten, von wo die Pandemie ihren Ausgangspunkt genommen haben kann. Eine Beweisführung wäre nur möglich, wenn der Indexpatient (Patient Zero) der Pandemie identifiziert und dessen Bezüge zur möglichen Quelle des Ausbruchs geklärt oder ein Beweis dafür erbracht werden könnte, dass das Virus vor Beginn des Ausbruchs in einem der Labore vorhanden war.