Vakzine – Typen

Zu Kapitel 14.2 · Foto: Pexels

Im Vordergrund der Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 stehen innovative Impfstoffplattformen, nämlich

  • Impfstoffe auf der Basis von Nukleinsäuren, insbesondere mRNA (mindestens 18 aktive Projekte),
  • Vektor-basierte Impfstoffe (mindestens 17 aktive Projekte),
  • Virus-ähnliche Partikel ( mindestens 6 aktive Projekte),
  • Impfstoffe auf Basis rekombinanter Virusproteine (mindestens 16 aktive Projekte) und
  • Peptid-Impfstoffe (mindestens 5 aktive Projekte)
  • vor klassischen Impfstoffkonzepten wie
  • inaktivierten Viren (mindestens 1 aktives Projekt) oder
  • attenuierten Viren (mindestens 2 aktive Projekte).

Die modernen Nukleinsäure-basierten Techniken bieten dabei erhebliche Vorteile im Hinblick auf die Entwicklungsgeschwindigkeit, aber auch die Möglichkeiten der Massenproduktion. Die Entwicklung eines attenuierten Virusstamms wäre demgegenüber wesentlich zeitaufwändiger und bedarf eines Labors der Biosicherheitsstufe 3, in dem auch Tierversuche durchgeführt werden können. Die zielgerichtete Induktion einer Immunantwort gegen einzelne Virusbestandteile bietet weniger Risiken als die Verwendung inaktivierter Viren, da es dabei auch zur Bildung von Antikörpern kommen kann, die das Virus nicht neutralisieren, sondern die Immunpathologie der Infektion noch verstärken und eine Eosinophilen-Infiltration der Lunge triggern (Immun-Enhancement). Diese Erfahrungen hat man z. B. mit Vakzinekandidaten der ersten Generation gegen SARS gemacht und Befunde in Tiermodellen mit SARS-CoV-2-Vakzinekandidaten scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich bei COVID-19 ähnlich verhält. Ein vergleichbares Phänomen hat auch die Entwicklung einer Vakzine mit inaktiviertem Virus gegen Respiratory Syncytial Virus vereitelt. Als Impfantigen kommt daher vor allem das Spike-Protein des Virus infrage, das , wenn es dem Immunsystem in einer bestimmten Konformation angeboten wird, zur Ausbildung einer neutralisierenden Immunantwort führt, die die Bindung des Virus an den ACE-2-Rezeptor verhindert. Allerdings ist von vielen Impfstoffkandidaten der kommerziellen Hersteller das exakte Impf­antigen nicht bekannt.

mRNA-Vakzinen

mRNA-Vakzine-Kandidaten gelten aus den bereits genannten Gründen als besonders vielversprechend. Dabei wird mRNA, die für das gewünschte Impfantigen kodiert, durch Injektion in den Körper (z. B. intramuskulär, subkutan) in menschliche Zellen hineingebracht. Dort wird die mRNA-Matrize translatiert und das kodierte virale Protein hergestellt, das dann dem Immunsystem präsentiert wird. Diese innovative Impfstofftechnologie ist in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt worden (siehe dazu: Pardi et al., Nature Reviews Drug Discovery, 2018 [https://www.nature.com/articles/nrd.2017.243]). Insbesondere das Problem der raschen Degradation der mRNA und des dadurch bedingten ineffizienten Transfers in das Zellinnere wurde gelöst, indem sie in liposomale Nanopartikel verpackt wird, die als Vehikel zum Transport der mRNA in die menschlichen Zellen dienen. Die Zugabe von Adjuvantien kann die Wirkung verstärken. Solche mRNA-Vakzinen sind leicht entwickelbar, ihre Produktion findet durch In-vitro-Transkription statt und ist relativ leicht skalierbar, so dass ein erfolgreicher Vakzine-Kandidat in großer Menge produziert werden könnte. Die mRNA wird im Gegensatz zu DNA-Vakzinen nicht ins Genom des Wirts integriert, vom Körper wieder abgebaut und ist daher im Hinblick auf langfristige Sicherheitsaspekte vorteilhaft. Ein Nachteil ist, dass es bisher keine zugelassenen mRNA-Vakzinen gibt und damit klinische Langzeiterfahrungen fehlen. Theoretisch besteht das Risiko der Auslösung von Autoimmunität bzw. auch der Auslösung von Abwehrmechanismen der angeborenen Immunabwehr, das die Fremd-RNA als PAMP (Pathogen-Associated Molecular Pattern) erkennt. Dem kann durch bestimmte Modifikation der RNA entgegengewirkt werden. Ein mRNA-Impfstoffkandidat mit der Bezeichnung mRNA-1273 der Firma Moderna® war eine der ersten Vakzinen, die in die Phase I der klinischen Prüfung eintraten. Auch in Deutschland entwickelt ein Biotechnologie-Unternehmen (Curevac®) eine mRNA-Vakzine. Insgesamt gibt es weltweit derzeit mindestens 9 aktive Entwicklungsprojekte, davon befindet sich eines bereits im Stadium der klinischen Prüfung (mRNA-1273), vier weitere sind in der präklinischen Phase.

Vektor-basierte Vakzinen

Vektor-basierte Vakzinen gehören ebenfalls zu den aussichtsreichsten Konzepten für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19, zumal es hier bereits eine erfolgreich entwickelte und in der EU zugelassene Lebend-Vakzine gegen Ebola-Virus auf der Basis eines rekombinanten Vesicular Stomatitis Virus (VSV) gibt (rVSV-EBOV, Ervebo®). Dabei wurde in das Genom dieses replikationsfähigen viralen Vektors das Gen für das Oberflächen-Glykoprotein von Ebola-Virus Zaire eingefügt.

Vektorvakzinen infizieren ihre Zielzellen im menschlichen Körper und ermöglichen dort eine hohe Produktion des viralen Proteins und damit auch eine starke Immunantwort. Sie bieten außerdem eine hohe Langzeit-Stabilität, weil das Impfgen in der Virushülle des Vektors geschützt ist. Neben replikationskompetenten Vektoren, die sich in der Zielzelle vermehren und eine Virusnachkommenschaft produzieren, die das Impfantigen trägt, gibt es auch nicht replikationsfähige Vektoren, bei denen in den Zielzellen lediglich Proteine produziert werden, ohne dass es jedoch zur Zusammensetzung und Ausschleusung neuer vollständiger Viren kommt.

Weltweit sind derzeit mindestens 8 Entwicklungsprojekte mit replizierenden viralen Vektoren aktiv, 9 weitere mit nicht-replikationskompetenten viralen Vektoren. Unter letzteren befinden sich mehrere Impfstoffkandidaten, die auf verschiedene Adenovirus-Vektoren setzen (z.B. Projekte der Firmen AstraZeneca, Johnson & Johnson und CanSinoBiologicals, sowie „russische Vakzine“). Adenovirus-Vektoren haben den Vorteil, dass mit ihnen aus der Krebstherapie bereits umfassende Erfahrungen vorliegen. Sie gelten als sicher, und die von ihnen produzierten Impfantigene stimulieren nach einmaliger Gabe sowohl die zelluläre Immunität als auch eine Antikörper-Antwort in hohem Maße, was sie als Interventionstool in einer Pandemie geeignet macht. Nach einer zweiten Dosis lassen sich auch lang anhaltende Immunantworten stimulieren. Ein Nachteil der Vektorvakzinen kann sein, dass auch Immunantworten gegen den Vektor selbst induziert werden. Eine Strategie, um diese Möglichkeit zu umgehen, ist die Verwendung verschiedener Vektoren für die Erstimmunisierung und die Folgeimpfung.

Impfstoffe auf Basis rekombinanter Proteine

Impfstoffe auf Basis rekombinanter Proteine besitzen ebenfalls ein hohes Potenzial, vor allem weil mit dieser Technologie bereits große Erfahrungen vorliegen und mehrere zugelassene Impfstoffe (z. B. gegen Hepatitis-B-Virus, Humane Papillomviren) im Gebrauch sind. Insbesondere liegen bei solchen Impfstoffen bereits die technischen Voraussetzungen für eine Massenproduktion vor. Mindestens 16 Projekte mit rekombinanten Impfstoffkandidaten sind derzeit weltweit aktiv, eines befindet sich bereits in der klinischen Phase I, 6 weitere in der präklinischen Phase.