Der Einsatz biotechnologisch hergestellter humaner monoklonaler Antikörper hat in der Medizin mittlerweile einen festen Platz, zum Beispiel in der Therapie von Immunkrankheiten, von Tumorerkrankungen und neuerdings auch in der Therapie von Viruskrankheiten. Im Zusammenhang mit COVID-19 haben wir bereits über die Verwendung monoklonaler Antikörper zur Modulation der überschießenden Immunantwort berichtet (siehe Kapitel „Substanzen, die die Immunantwort modulieren“). Doch inzwischen sind auch monoklonale Antikörper verfügbar, die direkt am Virus angreifen und dessen Eintritt die Zielzelle blockieren. Diese stellen wir im Folgenden vor.
Casirivimab und Imdevimab
Der Cocktail aus zwei humanen monoklonalen Antikörpern wurde von der Firma Regeneron entwickelt und erhielt im November 2020 eine Notfallzulassung der FDA. Beide Antikörper binden an verschiedenen Stellen der Rezeptorbindungsdomäne auf dem Spike Protein von SARS-CoV-2 (Studies in humanized mice and convalescent humans yield a SARS-CoV-2 antibody cocktail | Science (sciencemag.org)). Sie blockieren damit den Zugang des Virus zur Zielzelle und sind daher neutralisierend. Mit dem gleichzeitigen Einsatz zweier verschiedener monoklonaler Antikörper erschwert man dem Virus die Bildung sogenannter Escape-Mutanten mit Veränderungen in der Rezeptorbindungsdomäne, so dass der entsprechende Antikörper nicht mehr binden kann. Die humanen monoklonalen Antikörper wurden in Mäusen mit humanem Immunsystem induziert und danach in Kulturen von CHO-Zellen (Ovarialzellen des chinesischen Hamsters) produziert.
Die Notfallzulassung der FDA wurde auf Basis einer randomisierten, doppelt verblindeten, Placebo-kontrollierten klinischen Studie an 799 nichthospitalisierten Covid-19-Patienten mit milden bis mäßigen Symptomen erteilt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe trat bei den mit dem Antikörper-Cocktail behandelten Patienten innerhalb von 7 Tagen nach Behandlungsbeginn eine signifikant größere Reduktion der Viruslast ein. Noch eindrucksvoller war, dass die Zahl der Hospitalisierungen und Notaufnahme-Besuche innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung bei der Therapiegruppe deutlich geringer war als bei der Kontrollgruppe. Während bei Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko Hospitalisierungen und Notaufnahme-Besuche bei 3 % der Antikörper-behandelten Patienten erforderlich wurden, waren es 9 % bei den Patienten, die lediglich das Placebo erhalten hatten.
Die FDA hat die Notfallzulassung auf Erwachsene und Kinder ab einem Alter von 12 Jahren mit einer milden oder mäßiggradigen COVID-19-Erkrankung und einem hohen Progressionsrisiko hinsichtlich eines schweren Verlaufs oder einer Hospitalisierung beschränkt. Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko hinsichtlich eines schweren Verlaufs oder einer Hospitalisierung können zum Beispiel Patienten mit Diabetes, einem BMI ≥ 35, unter Immunsuppression, im Alter über 65 Jahren oder im Alter über 55 Jahren mit zusätzlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein.
Der Antikörpercocktail soll hingegen nicht bei bereits hospitalisierten Patienten oder solchen unter Sauerstofftherapie angewendet werden, da für diese Patientengruppe kein Nutzen der Therapie nachgewiesen wurde. Vielmehr warnt die FDA vor einer Verschlechterung des Verlaufs, wenn der Antikörper-Cocktail bei solchen Patienten angewendet wird.
Wie Starr et al. jüngst in einer Veröffentlichung zeigten (Prospective mapping of viral mutations that escape antibodies used to treat COVID-19 | Science (sciencemag.org)), genügt bereits eine einzelne Mutation im Spike-Protein von SARS-CoV-2, um beide im Regeneron-Cocktail vorhandenen monoklonalen Antikörper an der Bindung an ihre Ziel-Epitope zu hindern. Die Autoren zeigten außerdem, dass Mutationen, die zu einem kompletten Immun-Escape gegenüber dem Regeneron-Cocktail führen, bereits in natürlich zirkulierenden Mutanten des Virus vorkommen.
Bamlavinimab
Bamlavinimab (vormals Ly-CoV555) ist ein von Eli Lilly® hergestellter neutralisierender monoklonaler Antikörper gegen SARS-CoV-2, der an das Spike-Proteins bindet und das Andocken des Virus an die Zielzelle verhindert. Das Antikörperpräparat erhielt bereits im September 2020 eine Notfallzulassung durch die FDA, obwohl die Evidenz für die Wirksamkeit aus der noch laufenden BLAZE-1-Studie aufgrund geringer Patientenzahlen noch sehr begrenzt war, und endgültige Schlussfolgerungen noch nicht zuließ. Dennoch zeigte sich ein möglicher Nutzen für Patienten mit einer leichten oder mäßiggradigen COVID-19-Erkrankung im Sinne weniger häufiger Hospitalisierungen und Notaufnahme-Besuche. Eine signifikante Reduzierung der Viruslast konnte nur bei einer von drei untersuchten Dosierungen nachgewiesen werden (SARS-CoV-2 Neutralizing Antibody LY-CoV555 in Outpatients with Covid-19 | NEJM).
Die Anwendungsindikationen und Zulassungsbegrenzungen entsprechen weitgehend denen für den (später zugelassenen) Antikörpercocktail Casirivimab/Imdevinimab.