SARS-CoV-2 und die Fleder­tiere

Fliegender Hund © Kasper Nymann bei COLOURBOX

Das neue SARS-CoV-2 weist eine hohe Ähnlichkeit zu einem in Fledertieren (Hufeisennasen, Fam. Rhinolophidae) gefundenen Coronavirus (RaTG13) auf, mit diesem teilt es 96,2% seines Genoms, mit dem humanpathogenen SARS-CoV der SARS Pandemie 2002/2003 hingegen nur 79,6%, weshalb Fledertiere (Ordnung Chiroptera) als ursprünglicher Wirt des SARS-CoV-2 angenommen werden (Tang et al., National Science Review, 2020 [https://academic.oup.com/nsr/article/7/6/1012/5775463]).

Der Stamm RaTG13 stammt ursprünglich aus einer Kotprobe einer Hufeisennase der Spezies Rhinolophus affinis (Java-Hufeisennase) aus der Provinz Yunnan. Über den Stamm wurde erstmals im Zusammenhang mit dem Auftauchen von SARS-CoV-2 durch den chinesischen Wissenschaftler Zhou berichtet. Die Sequenzhomologie diente als Beweis für den vermutlichen Fledermaus-Ursprung des SARS-CoV-2. Das Gesamtgenom des Stammes wurde allerdings erstmals veröffentlicht, nachdem die ersten SARS-CoV-2-Isolate von Patienten sequenziert worden waren. Das Gen der RNA-abhängigen RNA-Polymerase von RaTG13 ist zu 100% identisch mit dem entsprechenden Gen des Stammes BtCoV/4991, über den bereits 2016 berichtet wurde. Dieses Virus war 2013 aus Fäzes von Fledertieren, die in einer inzwischen verlassenen Mine in der Provinz Yunnan lebten, auf der Basis der Sequenz des Gens der RNA-abhängigen RNA-Polymerase nachgewiesen worden. Es wurde nie beschrieben, dass das Virus selbst aus dem Material isoliert wurde. In der Mine waren im Jahr 2012 drei Minenarbeiter an einer unklaren Pneumonie erkrankt und daran gestorben. Die Ursache der Pneumonie wurde nie nachgewiesen. Somit ist der an einigen Stellen behauptete Zusammenhang zum Vorkommen des BtCoV/4991 in der Höhle spekulativer Art. Es ist aufgrund der geschilderten Befunde davon auszugehen, dass es sich bei RaTG13 und BtCoV/4991 um das gleiche Virus handelt. RaTG13/BtCoV/4991 stellen im phylogenetischen Stammbaum eine abgrenzbare Virusspezies innerhalb des Zweigs der SARS-ähnlichen Coronaviren dar. Warum das BtCoV/4991 in der Schlüsselarbeit zur phylogenetischen Herkunft von SARS-CoV-2 nicht erwähnt wurde, bleibt unklar.

Die aus den phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen des SARS-CoV-2 abgeleitete Annahme, dass SARS-CoV-2 aus Fledertieren stammt, beruht auf den geschilderten Befunden und wurde von seriösen wissenschaftlichen Quellen bisher akzeptiert. Allerdings ist das Genom von SARS-CoV-2 phylogenetisch so weit von dem Genom des nächstverwandten Coronavirus-Stamms entfernt, dass nicht angenommen werden kann, dass SARS-CoV-2 sich unmittelbar daraus ableitet. Vielmehr wurde ein phylogenetisch identischer Stamm oder eine unmittelbare Variante davon bisher in der Natur (in anderen Wirten) noch nicht identifiziert. Sowohl SARS-CoV als auch SARS-CoV-2 binden über ihr Spike-Protein an den ACE-2-Rezeptor, wenngleich sie sich in 5 von 6 Aminosäuren an der Rezeptor-Bindungsstelle unterscheiden und SARS-CoV-2 dadurch eine höhere Bindungsaffinität zu ACE-2 hat als SARS-CoV. Diese Bindungsstelle wiederum ist absolut identisch zwischen SARS-CoV-2 und einem Coronavirus, das bei Schuppentieren (Pangolinen) gefunden wurde, was die Hypothese hervorbrachte, dass das Schuppentier-Coronavirus im Rahmen eines Rekombinationsereignisses zum SARS-CoV-2-Genom beigetragen haben könnte bzw. Pangoline als Zwischenwirte vor Übertritt des Virus in den Menschen gedient haben könnten.

Zu Fledertieren als Reservoire von zahlreichen Viren siehe: Arbeitsgruppe Parasitologie & Infektionsbiologie — Universität Koblenz · Landau (uni-koblenz-landau.de).