Wie einleitend schon erwähnt, spielt die Labortestung im Rahmen der COVID-19-Pandemie nicht nur unter individualmedizinischen Gesichtspunkten zur Diagnosebestätigung und Therapieplanung und -steuerung eine Rolle, sondern sie ist auch ein zentrales Element im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Der Anspruch, möglichst jeden Infizierten zu identifizieren und in Quarantäne zu bringen, stellt allerdings erhebliche Anforderungen an die Umsetzung. Solange die PCR als Standardverfahren gilt, ist die Durchführung von großen Untersuchungsserien an Massentest-taugliche Geräteplattformen wie Mikrotiterplatten-Prozessoren und Pipettierroboter, und damit an die Infrastruktur von Fachlaboratorien gebunden. Nicht nur bedürfen die vorhandenen Testkapazitäten eines weiteren erheblichen Ausbaus, sondern auch die ausreichende Versorgung mit den benötigten Testreagenzien muss auf Herstellerseite sichergestellt werden. Ebenso bedarf es einer gewaltigen Logistik, um massenweise Proben zu nehmen, diese zu transportieren und datentechnisch zu verarbeiten, sodass innerhalb einer möglichst geringen Turnaround-Zeit der fertige Befund den Patienten sowie diejenigen erreicht, die Entscheidungen über eventuell erforderliche antiepidemische Maßnahmen treffen können. Eine Turnaround-Zeit von 48 Stunden, wie sie heute gang und gäbe ist, erscheint viel zu lang, da Infizierte in der Zwischenzeit weitere Personen anstecken können. Auf der technischen Seite gibt es durchaus bereits Ansätze, auf der Basis spezieller Genomsequenzierungs-Verfahren (Lamp-Seq) und unter Nutzung der vorhandenen Genomsequenzierungs-Plattformen riesige Probenzahlen in kurzer Zeit zu untersuchen. Die Proben werden dazu mit einem genetischen Barcode versehen, anschließend zusammengemischt und sequenziert. Anhand des genetischen Barcodes könnten die ausgelesenen Sequenzen dann den individuellen Proben wieder zugeordnet werden. Der Nachweis einer SARS-CoV-2-spezifischen Nukleinsäuresequenz in der Probe wäre dann das analytische Korrelat eines positiven Ergebnisses. Allerdings bliebe der ebenfalls zeitkritische logistische Aufwand bestehen.
Dieser entfällt weitgehend, wenn Schnelltests, wie sie bereits als Antigentests (siehe oben) existieren, zur einfachen Selbstanwendung, zum Beispiel analog zu Schwangerschaftstests eingesetzt würden und massenhaft zu einem geringen Preis zur Verfügung stünden. In diesem Fall könnte man die bei solchen Tests üblichen Einschränkungen der Empfindlichkeit unter der Überlegung in Kauf nehmen, dass Patienten mit geringer Virusausscheidung, die durch solche Tests nicht erfasst würden, ohnedies nur ein sehr geringes Ansteckungspotenzial besitzen. Hingegen könnte man die sogenannten Superspreader, die das Virus in großer Menge ausscheiden, auch mit den Schnelltests hinreichend sicher identifizieren. Positive Schnelltest-Ergebnisse müssten allerdings wegen der Spezifitäts-Einschränkungen von Antigentests mithilfe eines Referenzverfahrens (PCR) bestätigt werden.
In den USA wurde im November 2020 der erste Corona-Selbsttest für zu Hause von der FDA zugelassen. Der Test der Firma Lucira™ basiert auf der RT-LAMP-Nukleinsäureamplifikationstechnologie. Zielgen ist das N-Gen von SARS-CoV-2. Der Abstrichtupfer wird in ein Gefäß, das mit einer Detektionseinheit verbunden ist, eingeführt und in der Reaktionsflüssigkeit mehrfach umgerührt. Innerhalb von 30 Minuten kann das Ergebnis dann qualitativ anhand des Aufleuchtens eines LED-Lämpchens beim jeweiligen Testergebnis (positiv oder negativ) abgelesen werden. Im positiven Fall sollen die Ergebnisse sogar bereits nach etwa 11 Minuten vorliegen. Als Probenmaterial sind Nasenabstriche vorgesehen, die selbst entnommen werden sollen. Diese Selbsttestung ist für Personen ab 14 Jahren zugelassen und wird auf Rezept in der Apotheke abgegeben. Die Zuverlässigkeit des Tests selbst soll recht hoch sein, selbst im Vergleich mit der RT-PCR. Der Preis für das Komplett-Set mit Probennahmetupfer soll etwa 50 US-Dollar betragen.
Insbesondere die „Kassetten-Antigentests“ sollen in Deutschland auch für den „Hausgebrauch“ durch Laien erlaubt werden. Dies würde die Testung zu Hause bei bestimmten Anlässen (z.B. Verwandtenbesuch) ermöglichen. Das Bundesgesundheitsministerium plant sogar, dass ab dem 1. März 2021 jeder Bürger ein Anrecht auf kostenlose Corona-Schnelltests bekommen soll. Dieser Ansatz ist im Sinne der oben dargestellten Strategie ein signifikanter Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Es ist zu beachten, dass diese Tests nicht so empfindlich wie PCR-Tests sind und auch häufiger falsch-positive Ergebnisse hervorbringen. Bei höherer Viruslast ist die Erkennungsrate recht gut, bei niedrigen Viruslasten (wie sie insbesondere in der frühen Anfangsphase oder der Spätphase der Infektion vorkommen können) reicht die Empfindlichkeit der Antigen-Kassettentests jedoch nicht an die PCR heran. Die geringere Empfindlichkeit der Tests ist aber grundsätzlich im Sinne der antiepidemischen Strategie kein Problem, wenn die Tests Personen erkennen, die eine hohe Virusmenge ausscheiden. Damit ließen sich bereits zahlreiche Ansteckungen vermeiden. Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, wie die Leistung der Schnelltests im Vergleich zu den Referenzmethoden tatsächlich zu bewerten ist, denn sie hängt auch wesentlich von der Qualität der Probennahme ab, die im Falle der Selbstanwendung durch Laien durchgeführt wird. Sollten Studienergebnisse belegen, dass durch Gurgeln oder Spucken gewonnenes Probenmaterial ebenfalls ausreicht, um eine akzeptable Testempfindlichkeit zu gewährleisten, würde dies eine erhebliche Vereinfachung der Probengewinnung ermöglichen. Ein positives Ergebnis eines Schnelltests muss in jedem Fall mittels eines PCR-Tests bestätigt werden.
Im individualmedizinisch-diagnostischen Bereich ist die klassische RT-qPCR als das Verfahren mit der größten Sensitivität und Spezifität auf absehbare Zeit unverzichtbar. Die etwas weniger sensitiven Kartuschensysteme oder Antigentests können die Standarddiagnostik ergänzen, wenn es auf Schnelligkeit ankommt oder spezielle Fragestellungen (Infektiosität, Entscheidung über Quarantäne, Verlaufskontrolle bei bekannter Erkrankung) vorliegen. So könnten die in wenigen Minuten durchführbaren Antigentests dazu beitragen, Menschen mit hoher Viruslast schnell zu erkennen. Möglicherweise könnten solche Tests auch dabei helfen, sogenannte „Superspreading“-Ereignisse zu verhindern. Durch Antigentests ließen sich viel mehr Menschen in kurzer Zeit unkompliziert testen und damit Infektionsketten schneller unterbrechen (https://www.who.int/publications/i/item/antigen-detection-in-the-diagnosis-of-sars-cov-2infection-using-rapid-immunoassays). Sie könnten etwa bei entsprechender Indikation (z. B. Ausbruchsverdacht) zur Testung von definierten Kollektiven, wie etwa dem Personal einer Fleischfabrik, eingesetzt werden, und zumindest eine grobe Orientierung geben, ob sich Personen mit hoher Virusausscheidung darunter befinden bzw. ob vermutlich ein Ausbruchsgeschehen vorliegt oder nicht. Denn wenn man eine hinreichend große Stichprobe aus einem definierten Kollektiv mit einem nicht sehr sensitiven Verfahren testet, ist zumindest der Statistik zufolge die Wahrscheinlichkeit höher, dass darin enthaltene Infizierte mit hoher Viruslast auch gefunden werden und damit eine Aussage zum epidemiologischen Status des untersuchten Kollektivs möglich wird. Damit könnte man auf neue Ausbruchsgeschehen schneller reagieren, als es derzeit mit dem PCR-Verfahren möglich ist, und beispielsweise eine Kohortenisolierung früher einleiten.
Antikörpertests haben ihren Anwendungsschwerpunkt in Untersuchungsreihen zu epidemiologischen Fragestellungen, wie zum Beispiel der Feststellung der Infektionsrate in definierten Populationen, Studien zum Immunschutz nach Infektion oder dem Nachweis der Antikörperbildung nach Impfung im Rahmen klinischer Studien.